Mein Leben als Leser

1
Dez
2011

Christoph Schlingensiefs tiefgehendes Tagebuch einer Krebserkrankung

Ich fand das Buch von Christoph Schlingensief sowohl schön als auch sehr traurig. Wie oft hört man im Zusammenhang mit einer lebensbedrohlichen Krankheit vom Betroffenen die Aussage " Die Kranheit hat mein Leben und meine Sicht auf das Leben und die Welt verändert". Letztlich dürfte auch das die Essenz aus Schlingensiefs Buch sein, aber seine innere Zerissenheit, sein Pendeln zwischen Pessimismus und Optimismus, sein Hadern und Festhalten zugleich an Gott, Jesus und der Mutter Gottes, das alles macht das Buch so wertvoll. Die Gedanken, die er vor der OP, vor der Chemo, vor einer erneuten Diagnose zu Papier (bzw. auf Band) bringt, haben meiner Meinung nach eine enorme Tiefe und lässt bald ein ganz anderes Bild des Menschen Schlingensief entstehen, als man es aus der oberflächlichen Öffentlichkeit (der Provokant, der Skandalregisseur etc) kennt.
Das Buch hat mich nachdenklich gemacht und gibt reichlich Denkanstösse, sein eigenes Leben, dass so kurz sein kann, genauer zu reflektieren.
Danke Christoph Schlingensief für dieses Buch, alleine damit haben Sie der Welt etwas Großes hinterlassen!

21
Nov
2011

Der weisse Neger Wumbaba - ganz lustig, aber schnell auch nur ganz nett

Wie sehr hab ich mich über das Buch Der weisse Neger Wumbaba I-III als Geburtstagsgeschenk gefreut. War mir doch Axel Hacke schon von seiner meist sehr amüsanten Kolumne in der SZ bekannt. Die Herkunft des Wumbaba war mir übrigens bis zum Lesen dieses alle drei bisher erschienenden Bände umfassenden Werks nicht bekannt. Das aber die Figur des Wumbaba, besonders schön verbildlicht von Michael Sowa, zu einer der schillerndsten Verhör-Kreaturen geworden ist, leuchtete mir bald ein. Natürlich gibt es noch einige ähnliche Beispiele, die dem Leser meist mindestens ein amüsiertes Lächeln abverlangen, aber so viele mit Starpotential gibt es meiner Meinung nach nicht. Okay, der Erdbeerschorch und (eines meiner persönlichen Highlights aus Wumbabas Reich) die Nazi-Ente sind schon sehr lustig.
Trotzdem fand ich die zwar gut verpackte Auflistung von gesammelten Verhör-Exemplaren im Verlauf der Lektüre bald schon nur noch ganz nett. Viele Beispiele erscheinen mir zudem etwas konstruiert und gewollt falsch verstanden. Das geht sicherlich nicht auf Axel Hacke zurück, sondern auf die zahlreichen Leser, die ihm über die Jahre ihre Verhörer aufgeschrieben haben.

Fazit also: Es sind in der Verhörer-Trilogie einige lustige Besipiele des Falsch-Verstehens aufgeführt, aber die durchschnittliche Masse der gesammelten Verhörer macht das Ganze aus meiner Sicht nur zu einem mittelmässigen Lesevergnügen.

13
Mai
2010

Der Buchhänder - Matt Cohen

Paul ist der jüngere der beiden Stevens Brüder. Henry, der ältere der
beiden, übernimmt schon früh die Führung über seinen kleinen Bruder.
Erst beim Boxen, wo er ihn bald schon, entgegen Pauls eigentlicher
Neigung, trainiert und zu höherem anstachelt. Später bei den gemeinsam
verbrachten Ferien bei der Mutter, die vom Vater der beiden getrennt
lebt. Henry bringt Paul das Billard spielen bei und lebt noch einige
Jahre mit seiner Frau Janine zusammen mit Paul unter einem Dach.
Doch bald schon wird die Rolle die Henry in Pauls leben spielt fpr
diesen zur Belastung. Als Mitarbeiter in einem Second-Hand-Buchladen
versucht Paul sein eigenes Leben aufzubauen.
Eines Tages betritt eine junge attraktive und extrovertierte Frau den
Laden. Judith zieht Paul in ihren Bann und reisst ihn mit sich in
einen Sumpf aus Drogen und Alkohol. Judith und Henry bsind zukünftig
die beiden bestimmenden Themen in Pauls Leben.

Der kanadische Autor Matt Cohen beschreibt mit dem Ich-Erzähler Paul
wie sich dieser in Abhängigkeiten (von Menschen und diversen
Substanzen) verstrickt, immer auf der Suche nach dem eigenen Weg.
Ich empfand etwa im dritten Viertel des Buches (insgesamt 283 Seiten),
dass die Handlung etwas abflachte und das Lesen beschwerlicher wurde.
In dieser Phase probt Paul das Leben ohne Judith, wird dafür um so
mehr wieder in das seines großen Bruder hineingesogen. Mir kam dieser
Abschnitt etwas langatmig vor, doch schon bald nimmt die Handlung
wieder an Fahrt auf.
Insgesamt gefiel mir Der Buchhändler von Matt Cohen gut, auch wenn das
Versprechen des Klappentextes, der von einem Buch über die Welt
zeitloser Literatur spricht, nicht eingehalten wird. Vielmehr geht es
um die einnehmende Macht von Gefühlen, Abhängigkeiten und Beziehungen.

Meine Wertung: ***

24
Mrz
2010

Sven Regener - Der kleine Bruder

Heute hab ich Der kleine Bruder von Sven Regener ausgelesen und bin echt begeistert von dem Buch. Zeitlich ist der Roman vor Herrn Lehmann und nach Neue Vahr Süd anzusiedeln.
Frank Lehmann fährt mit seinem Punk-Freund Wolli nach Berlin, um dort seinen Bruder Manni besuchen. Aus dem Wehrdienst hat man ihn kürzlich nach einem Selbstmordversuch mit Tabletten entlassen. Jetzt hofft er bei seinem Bruder Unterstützung bei der Beantwortung der Frage, wie es in seinem Leben weiter gehen soll, zu bekommen. Doch Manni, der von seinen Berliner Freunden und Bekannten Freddie genannt wird, trifft er in dessen Wohnung nicht an. Stattdessen lernt er Karl, einen von Freddies Mitbewohnern, kennen. Nach und nach lernt er das gesamte Umfeld seines Bruders kennen, doch wo dieser steckt, scheint keiner zu wissen.
In den ersten zwei Tagen seines Berlin-Aufenthaltes erlebt Frank allerhand, lernt die Berliner Kunstszene, die Punkszene und die Besetzerszene kennen und zeigt ein ordentliches Talent im Getränkeverkauf.
Regener schafft es hervorragend mich mit Der kleine Bruder zu unterhalten und brachte mich bei der Lektüre in der Bahn immer wieder zum Lachen. Schon blöd, wenn man in der Bahn sitzt und muß sich städnig das laute Lachen verkneifen. Die Dialoge sind großartig. Und Frank Lehmanns Gedanken stehen den Dialogen zudem um nichts nach. Manchesmal erinnerte mich das Ganze an besten Humor im Stile eines Loriots. In keinster Weise Klamauk! Regener spielt in einer ganz anderen Liga als beispielsweise ein Tommy Jaud.

29
Apr
2008

Rausch von John Griesemer abgebrochen

Den über 600 Seiten starken Wälzer Rausch von John Griesemer hab ich etwa bei Seite 450 endgültig abgebrochen.
Aufgrund von Zeitmangel und (evtl. auch als Folge dieses Zeitmangels) nachlassendem Lesevergnügen hab ich mich dazu entschieden, dieses Buch nicht zu Ende zu lesen. In dieser Phase des Buches wirkte die Handlung recht schleppend, wobei ich, wie schon angedeutet, vorsichtig mit einem Urteil sein möchte, weil es mir einfach an der nötigen Zeit und Muße mangelte, mich wieder richtig in den Text einzufinden.

Dieser Zeitmangel ist auch dafür verantwortlich, dass diese Seite hier in den letzten Wochen ziemlich verwaist da steht.
Sobald es der Alltag hergibt, werde ich versuchen, noch einmal ausführlicher auf Rausch einzugehen (immerhin hab ich mehr als zwei Drittel des Buches gelesen!).

19
Feb
2008

Uwe Timm - Die Entdeckung der Currywurst

Hinter dem recht banalen Titel Die Entdeckung der Currywurst von Uwe Timm verbirgt sich eine raffiniert erzählte Novelle über die letzten Kriegswochen des zweiten Weltkrieges und die darauf folgenden Jahre.

Der Erzähler macht die ehemalige Besitzerin einer Imbißbude am Hamburger Großneumarkt in einem Altenheim ausfindig. Die inzwischen hochbetagte Lena Brücker kennt er aus seiner Kindheit und er erinnert sich daran, das sie für ihn immer als Erfinderin der Currywurst galt.
Um der Entdeckung der Currywurst auf den Grund zu gehen, besucht er die alte Frau regelmässig und hört sich ihre Geschichte von ihren schönsten Jahren an.
Damals kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges flüchtet sie sich zusammen mit einem fremden Soldaten bei einem Luftschutzalarm in einen Bunker. Anschließend nimmt sie ihn mit nach Hause und er, der sich eigentlich am nächsten Tag einer Panzerjagd-Einheit anschliessen sollte, entschließt sich zu dessertieren und bleibt bei Lena Brücker.
Wie sie und der Soldat das Kriegsende erleben, wie ihr Leben danach weiterging und zu guter Letzt, wie es dazu kam, dass sie das erste Mal eine Currywurst zubereitete, erzählt Lena Brücker Ihrem Besucher geduldig und ausschweifend.

Nachdem ich schon einige seiner Bücher gelesen habe, nahm ich mir nun diese 187 Seiten starke Novelle von Uwe Timm zur Lektüre. Und wie schon bei den Büchern zuvor, wurde ich auch dieses Mal nicht enttäuscht. Der Autor schafft es, die Liebes- und Lebensgeschichte einer Frau in einer fesselnden und lebhaften Sprache zu erzählen. Die Charaktere der Lena Brücker und der anderen Hauptpersonen werden dem Leser nach und nach vermittelt und das Gelesene (so ging es mir zumindest) lässt deutliche Bilder im Kopf entstehen.

Ich halte das Buch für ein nachhaltiges, empfehlenswertes Leseerlebnis.
****

30
Jan
2008

Benjamin Lebert - Der Vogel ist ein Rabe

Zugegeben, ich stand dem Buch etwas skeptisch gegenüber. Meine Erwartung waren gering, ich dachte, dass ein junger Schriftsteller, der mit seinem ersten Werk einen Riesenerfolg hatte, schwerlich ähnlich Gelungenes nachlegen kann. Aber da das Buch mit seinen 127 Seiten meinem Wunsch nach der Lektüre eines dünneren Buches entsprach, hab ich es mir vorgenommen.

Der Erzählrahmen ist schnell zusammengefasst. Ein Ich-Erzähler namens Paul, Anfang zwanzig, fährt im Nachtzug von seiner Heimatstadt München zurück in seine neue Wahlheimat Berlin. Dort teilt er sich ein Abteil mit dem etwa gleichaltrigen Henry. Henry ist wesentlich gesprächiger als Paul und breitet nach und nach seine Gedankenwelt vor Paul aus. Er erzählt von Freundschaft und Liebe, von einer komplizierten Dreiecksbeziehung. Das auch Paul etwas zu erzählen hätte, wird dem Leser erst am Ende des Romans deutlich.

Das Buch von dem inzwischen 25jährigen Benjamin Lebert ist tatsächlich eine sehr angenehm zu lesende Lektüre. Ein Erzählung, die in ausdrucksstarker Sprache vorgebracht wird. Die (wie oben beschrieben niedrigen) Erwartungen, die an den ersten Roman nach dem Bestsellererfolg "Crazy" geknüpft sind, hat er zumindest bei mir voll erfüllt bzw. deutlich übertroffen.

Ein gutes, kurzes Buch, das vier Sterne bekommt.
****

4
Jan
2008

Zur Zeit lese ich

Irene-Dische-Grossmama-packt-aus

Ian McEwan - Am Strand

Nur kurze Zeit nach McEwans Abbitte habe ich mir sein letztes Werk Am Strand vorgenommen. Und auch mit diesem Buch hat er mich wieder überzeugen können.

Wieder baut er sehr geduldig aber keineswegs langatmig durch einen geschickten Perspektiv- und Zeitebenenwechsel die Geschichte auf. In diesem Fall handelt sie von einem jungen Paar an seinem Hochzeitstag und der bevorstehenden Hochzeitsnacht. Nachvollziehbar, aber mit der für McEwan angenehmen erzählerischen Distanz bringt er dem Leser die unterschiedlichen Erwartungen, Hoffnungen und Ängste vor dieser ersten gemeinsamen Nacht als Ehepaar näher. Durch eingeschobene Rückblicke mal aus der Sicht der jungen Frau, mal aus der Sicht des Mannes, schafft er es, ein komplexes Bild zu entwerfen und dem Leser die jeweiligen Gefühle der beiden Personen deutlich zu machen.
Und zum Ende gelingt es McEwan, so ging es mir zumindest, ein Gefühl von Melancholie hervorzurufen, angesichts der durch verschiedenste, oft nur kleine Umstände verpassten Chancen im Leben und der Lebenswege, die doch auch ganz anders hätten verlaufen können.
Ich denke, hier findet man eine Erkenntnis aus dem Buch Abbitte wieder.

Ein unbedingt lesenswertes, etwas mehr als 200 Seiten starkes Buch.

*****

26
Dez
2007

zuletzt und aktuell

Nach Der Stadt der Träumenden Bücher hab ich zudem Am Strand von Ian McEwan gelesen. In Kürze werd ich dazu auch was schreiben. Ich kann aber schon jetzt verraten, dass mein Urteil gut ausfallen wird. Wieder einmal fand ich McEwans Stil absolut überzeugend.

Und zur Zeit lese ich Der Vogel ist ein Rabe von Benjamin Lebert. Ein relativ kurzes Buch, aber bis zur Hälfte bin ich noch nicht in einen ordentlich Lesefluß gekommen. Aber das Buch hat noch knapp 60 Seiten um mich von seiner Qualität zu überzeugen.

Benjamin-Lebert-Der-Vogel-ist-ein-Rabe
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